Text und Bildmaterial Archiv Manfred E. Sprenger
Teil 3 von 3
Nach der Rennsaison bekam er die Möglichkeit angeboten im Werk einen neuen Reservemotor zum Preis von 650 DM zu kaufen, mit dem Hinweis, das es sich um einen „normalen und nicht um einen frisierten Motor handelt“. Dafür fehlte allerdings das Geld, weshalb er erneut an Victoria schreibt und um Unterstützung für seine Renneinsätze bittet. Seine Lage schätzt er realistisch ein und schildert dies in einem Brief an Victoria: „Da ich nächstes Jahr als Lizenzfahrer starten muss, bleiben mir drei Möglichkeiten:
- meine zwei Victorias (250+350 ccm) zu verkaufen und eine andere, richtige Rennmaschine dafür zu erwerben. 2. Auf Grund meiner finanziellen Lage die Maschine nicht zu verbessern und damit dauernd als Schlußlicht hinterherzufahren (was bestimmt dann keinen guten Eindruck mehr hinterlässt) und 3. dass mir die Victoria Werke ein wenig unter die Arme greifen (evt. auch durch Anfertigung einiger Teile, es handelt sich dabei um wirklich nicht viel). Die 3. Möglichkeit wäre mir das Angenehmste, denn ich könnte dann weiterhin Victoria fahren. Das ich nicht bei evtl. Lieferung von Teilen etc. diesselben für dunkle Geschäfte missbrauche, können sie mir glauben.“
Nach diesem Brief haben die Victorianer die Notbremse gezogen, es war mittlerweile klar, dass hier ein sehr ambitionierter und ehrgeiziger junger Mann seine Leidenschaft an die Rennfahrerei verloren hatte, dem konnten das Victoria Werk nicht mehr gerecht werden. In einem ausführlichen Brief an Oelrich wird dies geschildert:
„Wenn uns auch ihre Starts keinen ideelen Nutzen bringen, ja vielleicht eher ungenehm sind, weil unter den Verhältnissen, unter welchen sie fahren müssen, garnicht die Erfolge zu erwarten sind, die eine Entschädigung für ihre Mühe die sie sich machen, darstellen können, so sind wir andererseits aber garnicht in der Lage, sie technisch so zu unterstützen, wie es erforderlich wäre, weil wir tatsächlich alles an Vorrichtungen und Werkzeugen aus der Motorradfertigung verloren haben und keinerlei Ersatzteile aus der früheren Rennabteilung besitzen. Wir haben jetzt auch garnicht die Zeit, um uns mit solchen Problemen zu befassen.
Aus diesem Grund sind wir bei Überpüfung der von ihnen aufgestellten drei Möglichkeiten zu der Überzeugung gekommen, dass es für sie nichts Besseres gibt, als – wenn sie schon rennen wollen – sich auch eine wirkliche Rennmaschine zuzulegen. Das was sie bisher mit anerkennenswertem Fleiß gemacht haben, geht nur bis zu einer gewissen Grenze und dann muss die Fabrik mit eingreifen, wozu wir – wie wir ihnen offen sagen – bis auf weiteres nicht in der Lage sind. Wir sind auf diesen Standpunkt gekommen, nicht weil er der augenblicklich bequemere ist, sondern haben eingehend mit unserern Technikern im Betrieb gesprochen und auch Herrn Rieß zu Rate gezogen, der sie ja persönlich gut kennt. Es ist dies zwar nicht das was sie erwartet haben, aber bei reiflicher Überlegung werden sie selbst zu der Einsicht kommen, dass es das Beste ist, was sie z.Zt. tun können. Sollten sie auf dem Behelfsweg weiter machen wollen, so empfehlen wir ihnen sich einmal an die Firma Horex-Columbus-Werk, Bad Homburg v. d. Höhe, zu wenden, die im wesentlichen den gleichen Motor hergestellt und noch Bestandteile zum frisieren von Motoren oder vielleicht auch einen Rennmotor haben könnten.“
Ein interessanten Aspekt ist dabei der Hinweis, das bei Horex der gleiche Motor hergestellt wurde. Das lässt darauf schließen, das die Motoren nicht wie immer angenommen, ausschließlich von den Columbus Motorenwerken bezogen wurden, sondern auch in Nürnberg bei Victoria produziert wurden.
Genau zwei Wochen später, am 16.11.1949, solange hat er wohl überlegt was zu tun ist, schreibt Oelerich an Horex mit der Anfrage nach einem Alu-Zylinderkopf und verstärkten Pleuel. Der Chef Fritz Kleemann antwortet ihm persönlich und vertröstet ihn auf das nächste Frühjahr, weil sich im Moment alle Kapazitäten auf die Serienfertigung konzentrieren und erst dann evt. Sonderwünsche berücksichtigt werden können.
Beim Schwiegersohn von Kleemann, Herrn Fischer, der in der Geschäftsleitung tätig ist, stößt er auf offene Ohren und in einem Brief vom 21.6.1949 schreibt dieser: „Wir sind selbstverständlich bereit, sie in der Zukunft zu unterstützen, sobald es die Verhältnisse zulassen. Bei Produktionsanlauf unserer Neukonstruktion (Anm. der Redaktion: Modell Regina) werden wir ihnen daher die Möglichkeit geben, auf einem Fahrzeug zu starten, das ihnen die notwendigen Erfolgs-Chancen sichert. Es wäre daher gut, wenn sie es in absehbarer Zeit ermöglichen könnten, uns zu besuchen, damit wir an Ort und Stelle die einzelnen Punkte besprechen.“
Die komplette Saison fuhr Oelerich noch seine Pionier als Lizenzfahrer mit einigen guten Ergebnissen. Leider existiert nach dem Juli 1949 kein Fotomaterial auf dem zu erkennen wäre, ob er mit Horex oder noch immer mit einer Victoria startete. Anzunehmen ist, das er seine Pionier kurzerhand in eine Horex umtaufte, weil er seine Ersatzteile ab sofort aus Bad Homburg bezog. Ein Horex-Tank war zumindest auf einer seiner Bestellungen aufgeführt.
Die Platzierungen in den Rennen im Jahr 1949 waren wie folgt:
22.5. Eifelpokalrennen Nürburgring Ausfall
5.6. Riemer Rundstreckenrennen 2. Platz
12.6. Rund um Schotten Ausfall
26.6. Tübinger Stadtringrennen 12. Platz
31.7. Bergpreis Freiburg Schauinsland 5. Platz
15.8. Rund um Ingolstadt 7. Platz
21.8. Hofer Dreieckrennen 7. Platz
28.8. Stadtrennen Bad Reichenhall 2. Platz
18.9. Solitude Rennen Stuttgart Ausfall
25.9. Rundstreckenrennen Nürnberg Ausfall
Was danach geschah ist in kurzen Worten erklärt. Harald Oelerich war kein Mann von halben Sachen, Ende des Jahres 1949 kaufte er sich eine AJS 7R Boyracer über den Importeur Lohmann & Louis (die Vorgängerfirma vom heutigen Motorradzubehörhändler Louis) in Hamburg. Dieses Rennmotorrad war international in der 350er Klasse das Maß der Dinge und kostet ein kleines Vermögen.
Nach diesem AJS-Diskurs, der nur ein paar Monate andauerte, kontaktete er wieder ausführlich mit dem Horex-Leuten in Bad Homburg, fuhr das neue Modell Regina als Teilnehmer der Horex-Mannschaft bei der ADAC-Deutschlandfahrt mit einer Auszeichnung in Gold. Harald Oelerich wurde festangestellter Mitarbeiter, Rennfahrer und Versuchsingenieur der Horex Werke – es war sein Traumberuf, in den er all seine Energie investierte.
Seine Kontake zu Victoria lies er nie ganz einschlafen und so wechselte er 1954 nach Nürnberg zu den Victoria Werken um, wie schon bei der Horex Regina, bei der Entwicklung der V35 Bergmeister maßgeblich mitzuwirken.
Aber das ist eine andere Geschichte über die noch ausführlich berichtet werden soll.