You are welcome – Stafford Motorshow 2018

Wer sich für Victoria Vorkriegsmotorräder interessiert kommt unweigerlich auch auf das Thema englische Motorrädern. Alle Einzylinder-Viertakter im Victoria-Programm von 1928 bis 1934 waren mit englischen Motoren von Sturmey Archer ausgerüstet. Sturmey Archer gehörte zum Raleigh Konzern in Nottingham. Zu Raleigh unterhielt die Victoria Geschäftsleitung schon viele Jahre gute Kontakte als sich das Geschäft noch ausschließlich auf Fahrräder beschränkte. Diese Kontakte nutzte man, um die zuverlässigen und ausgereiften Motoren aus England einzukaufen, das in den Zwanziger Jahren weltweit führend im Motorradbau war. Raleigh stellte 1934 die Produktion von Motorrädern und Motorradmotoren ein und damit waren die Motorimporte bei Victoria vorbei.

Soviel zur Vorgeschichte. Es ist bekannt, das in England Traditionen >gelebt< werden, auch was Motorräder betrifft. Nur ein Beispiel. Den berühmten >Pioniers Run< eine jährliche Rallye für Motorräder bis Baujahr 1915 wurde in diesem März zum 73. Mal organisiert. Als diese Veranstaltung 1945 ihre Premiere hatte, verschwendete in Deutschland kein Mensch einen Gedanken an Uralt-Motorräder, nach dem Krieg hatten wir andere Probleme und danach wurde in der Wirtschaftswunder alles Alte weggeschmissen, weil sich kein Mensch mehr dafür interessierte. Will sagen, bei den deutschen Veteranenfreunden erwachte die Liebe zum alten Eisen im Durchschnitt etwa 40 Jahre später.

Zu meinem ersten Besuch der Stafford Motorshow kam ich über einen belgischen Victoria-Freund, der für den Belgischen Motorrad Veteranen Club alle zwei Jahre eine Busreise dorthin organisiert und an der wir 2014 teilnehmen dürften.

Von der drei Tage dauernden Reise beschränkte sich der Besuch in Stafford auf ca. 8 Stunden. Wir sind damals mit offenem Mund staunend durch die Hallen gewandelt und hatten noch nicht die Hälfte des angebotenen Geländes besichtigt.

Uns war sofort klar – hier müssen wir nochmal hin und zwar an den vollen zwei Tagen die diese Veranstaltung anbietet.

Dieses Jahr vom 21.-22. April sollte es wieder soweit sein. Die Reise haben wir diesmal selbst organisiert und damit es etwas fixer geht haben wir die Lufthansa dem Bus vorgezogen. Bis Februar waren Flug, Hotel und Mietwagen gebucht und zwei Wochen vor der Abreise kamen die Eintrittskarten, wie man das früher gewohnt war, mit der Briefpost, man konnte und musste sie nicht selbst ausdrucken.

Wir starteten in Frankfurt/Main und mit Uwe Habersetzer, der in Hamburg startete und in München in einen anderen Flieger umsteigen musste, trafen wir am Flugplatz in Birmingham zusammen. Flugpläne können deutlich pünktlicher sein als die Bundesbahn, wir waren sogar schneller, wahrscheinlich mit Rückenwind. Da wir am Freitag noch reichlich Zeit zur Verfügung hatten besuchten wir das >National Motorcycle Museum<, das nur ca. 10 min vom Flugplatz entfernt ist. Im Großraum Birmingham, Coventry, Nottingham war die >Crème de la Crème< des britischen Motorradbaues vertreten, wie dies seinerzeit in Nürnberg der Fall war.

Um es kurz zu machen. Wir haben als Pendant in Deutschland das >Deutsche Zweiradmuseum in Neckarsulm<. Der Unterschied ist eklatant. Birmingham: ca. 1000 Motorräder, und zwar nur Motorräder von über 170 ausschließlich britischen Herstellern sind hier zu sehen. Die Ausstellung ist dicht gedrängt und nur sehr wenige Maschinen werden freistehend präsentiert, weil einfach der Platz fehlt. Neckarsulm: ca. 400 Fahrzeuge (nicht nur Motorräder) aus aller Herren Länder, großzügig präsentiert. Die Schwerpunkte sind also ganz klar sehr verschieden.

Was schaut sich der Victoria-Begeisterte also in Birmingham an? Als erstes die Raleighs natürlich, fünf sind in den Ausstellungshallen zu finden. Einmal mit Längsboxer-Motor wie bei den Victorias von KR I bis 6, aber mit 800 ccm, dann mit V-Motor und Einzylinder-sv, dazu eine 350er Rennmaschine von 1931 und eine 500er Rennmaschine von 1931. Beide Maschinen waren auf der TT im Einsatz und sind Leihgaben eines privaten Sammlers. Wir waren schon Richtung Ausgang unterwegs als mir mein Freund Pit die Funktion der gefederten Hinterradnabe einer Triumph erklären will und mir plötzlich jemand von hinten vorsichtig auf die Schulter tippt. Es ist ein schwedischer Victoria-Freund, den ich auf dem 1996er Victoria-Treffen in Warin das erste und einzige Mal gesehen habe und der mich hier erkannt hat. Er hatte mir einige Jahre später seine 1929 Victoria mit Sturmey Motor verkauft und er freute sich sichtlich als ich ihm erklärte, das seine Maschine noch wohlgehütet in meiner Garage steht.Und jetzt stehen wir hier nebeneinander etwa eine Autostunde von der Stelle entfernt wo der Motor des Motorrades das unsere gemeinsame Beziehung darstellt vom Band lief – unglaublich.

Wir übernachten in Stafford, nettes und preiswertes Hotel, ein gemütlicher Pub mit gutem Bier und solidem Essenangebot in Wurfweite – was will man mehr. Am Samstagmorgen sind wir nach 15 min Fahrzeit auf dem >Exhibition Ground<, Tausende Menschen strömen zum Eingang und was sofort auffällt: es gibt keine Anstehschlange, man geht einfach vorwärts und ist drinnen. Da bin ich von der Veterama anderes gewöhnt.

Was ist jetzt der Unterschied zur Veter(dr)ama, die von der Größenordnung dieser Veranstaltung entspricht?

Stafford ist eine sortenreine Zweiradveranstaltung. Wenn man von der Veterama die Autofraktion und die Ramschstände wegnimmt bleibt wahrscheinlich die Hälfte übrig. Eine weitere Besonderheit sind die Stände von Markenclubs und von Motorradclubs. Das Spektrum reicht vom Benelli Club bis zum Vincent Owners Club. Diese Stände werden pämiiert und damit wird der Ehrgeiz der Standbetreiben angefacht. Bei manchen Clubständen schaut es aus als ob die Marken noch am Start wären und man könnte seine Velecette oder die Sunbeam im Moment im Werk ordern. Wunderschön präsentiert, immer entspannte und sehr auskunftsfreudige Menschen als Standpersonal, man fühlt sich wohl und die ein oder andere Story gibt es umsonst dazu.

In Stafford werden auch Fahrzeuge prämiiert die ausgestellt werden, dabei wurde auch schon eine Victoria von 1914, von der britischen Marke aus Glasgow mit einem Preis geehrt.

Was ist noch anders? Die Auktion von Bonhams lockt viele Menschen an. 436 Lose wurden versteigert, nicht nur komplette Maschine sondern auch Einzelteile und Teilekonvolute. Erstaunlich, das manche Maschinen für absolut normales Geld weggingen ohne das man das ganz große Portemonnaie aufmachen musste. Ein Preisbeispiel: Losnr. 153 MATCHLESS 348ccm G3LS (Viertakt ohv) von 1953, verkauft für € 3,300 inkl. Zuschlag. Am anderen Ende der Preisskala findet sich eine Münch von 1970 die für ca. 177 000 Euro den Besitzer wechselte. Um zur Auktion zugelassen zu werden kauft man sich einen Katalog, der alleine schon als Motorradkompendium betrachtet werden muss, damit haben zwei Menschen Eintritt zur Auktion und man muss sich als Bieter registrieret lassen – und los geht es. Bonhams kassiert vom Verkäufer und vom Verkäufer jeweils 10 Prozent des erzielten Verkaufserlöses. Im Außengelände werden viele Rennmaschine angeboten, es schaut stellenweise aus wie im Fahrerlager einer Rennsportveranstaltung, kurzum es wird nicht langweilig. Nebenbei werden noch Triel-Vorführungen in Gelände gezeigt. Die zwei Tage sind gerade ausreichend um sich in den Hallen und im Freigelände umzuschauen und zwischendurch noch das ein oder andere Erfrischungsgetränk zu verköstigen. Wir kommen wieder – you are welcome!

www.staffordclassicbikeshows.com

www.nationalmotorcyclemuseum.co.uk

www.bonhams.com

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