Nachbau der Victoria Kompressor Rennmaschine von 1925

Victoria Kompressor Rennmaschine von 1925 – von Gert Reiher

Inkl. Pattina

Vor ca. 10 Jahren reifte in mir die Idee, man könnte eigentlich die Brudes Kompressor Maschine nach bauen. Ein Kompressor, welcher als sogenanntes Roots – Gebläse vom gleichnamigen Hersteller, ( wurde auch in der Flugzeugindustrie eingesetzt ), war bereits bei mir vorhanden. Nach genaueren Recherchen über Aufbau und Funktion des Motorrades, stand eine Hürde in Höhe, vergleichbar mit der Mont Everest – Besteigung bevor. Man ist ja nicht der Reinhold Messner. Ich meine damit die vergrößerte Ölwanne, welche sich an der Unterseite des KRIII – Motors befand. Der KRIII – Motor von Victoria aus dem Jahr 1925, war die Basis des Renners. Solch ein Unterteil ist meines Wissens nicht mehr vorhanden. Aber auch der Messner hat seinen Berg bestiegen und man darf halt nicht so schnell den Kopf in den Sand stecken. Da fiel mir mein Freund Matthias ein, der arbeitet doch als Konstrukteur ganz in der Nähe in einem Metallbaubetrieb. Dort werden auch Teile für die Flugzeug – und Windradindustrie produziert. Für ihn war es eine Freude auch mir mal zu helfen.

Gussform für vergrößerte Ölwanne

Gesagt, getan und schon ging es los. Mit Motorenteilen bewaffnet, alle Bilder und Vorlagen geschnappt, waren die folgenden Sonntage verplant. Ohne die Fachkenntnis eines solchen Spezialisten ist für den normalen Oldie – Restaurateur die Welt zu Ende. Ich muss aber auch den Zeitfaktor in Ansatz bringen, welcher erheblich ist. Wir haben, bis die fertige Form stand, ( bestehend aus 10 Einzelteilen ), so ca. 3 Jahre gebraucht.

Eine Anfertigung in einer Fachfirma, hätte den finanziellen Rahmen gesprengt und somit wäre das Projekt gestorben. Für einen relativ geringen Betrag wurde der Rohling dann in einer Aluminiumgießerei hergestellt.

Ein Gussteil war jetzt da, aber dass muss ja auch noch mit dem originalen KRIII – Oberteil zusammengefügt – bearbeitet werden. In meinem Berufszweig als Heizungsmonteur und Klempner kann man zwar Rohre biegen, eventuell Rahmen, Tank und weitere Dinge bauen, aber mechanische Bearbeitung ?

Nachguss der Ölwanne

Wie schon gesagt, wenn man über Jahre restauriert und und viele Freunde hat, dann kann man auch die kleineren Berge besteigen. Zum Glück hatte ich noch viele Teile aus meiner vorangegangen Restauration von zwei KRIII Motorrädern übrig, das erleichterte wesentlich das Vorhaben.

Trotzdem, das herstellen der Kurbelwellen – Lagergasse, verlängern des Ölpumpenantriebs, Bohrungen und Ausfräsungen für wichtige Teile wie Zylinderaufnahme, Stehbolzen usw. erfordern Geduld und Fachkenntnis. Über einige Rückschläge bei der Bearbeitung, die ja zwangsläufig auftreten möchte ich mich lieber nicht mehr erinnern. Der Motor war bis auf die Zylinderköpfe nun soweit fertig und es waren wieder zwei Jahre ins Land gegangen.

Von Vorteil war, dass ich jetzt mit dem Rahmenbau anfangen konnte, da ja der Motor in groben Zügen fertig war und damit den technologischen Aufbau beförderte. Auch die originale KRIII Vordergabel, die ich noch hatte, brauchte mich gut voran. Reifen und Felgen, abweichend vom Standardmodell mit 27×3,5 Zoll, hatte ich schon vor längerer Zeit auf einem Teilemarkt erstanden. Am Rennmotorrad hatte man damals die Größe 28×3 Zoll verbaut. Das Getriebe war die vorletzte große Herausforderung an der Maschine. Im Gegensatz zum KRIII Standardmodell war die Schaltung auf der rechten Seite. Ohne die  Kopie eines Bildes, (Originalbild – verschollen ), welche ich von einem Oldtimer – Freund bekam, wäre es schwierig geworden, das Teil dem Original nach zu bauen. Die gesamte Kupplung und deren Trennung zur Schaltung befindet sich auch rechts und hat auch keine Trennung über ein Schneckengewinde, wie beim normalen Motorrad wo sie auf der linken Seite ist.

Beim ersten Modell der mit Kompressor aufgeladenen KRIII im Jahr 1925 war der Lader noch über dem hinteren Zylinder angebracht, welcher auch die Vorlage für mein Motorrad war. Die Zylinder waren noch ein Relikt aus der Ära der KRII, welche die erste kopfgesteuerte Maschine bei Victoria war. Beim zweiten Modell mit dem Kompressor über dem vorderen Zylinder waren noch zusätzliche Kühlrippen angegossen. Da bei Victoria die sagenumwobene KRIV und KRV nicht durch Werksdokumente belegt sind, könnte man davon ausgehen, dass es sich just um diese beiden Rennmaschinen handelt.

Aber nun zur nächsten großen Hürde, welche zu erklimmen war. KRII Zylinderköpfe, woher nehmen ? Der Kommissar Zufall kam zum richtigen Zeitpunkt, man könnte meinen der Himmel hat mit geholfen. Ich war bei Freunden, die mir einen KRII Motor zeigten, den ein  unwissender arglos aus dem Fenster warf, weil er zu bequem war, ihn die Treppe hinunter zu tragen. Der vordere Zylinderkopf war nach dem Aufprall nicht mehr zu retten. Aber ich hatte schon mal den rückwärtigen zur Verfügung. Im Abstand von 3 Tagen rief mich wiederum ein Freund an, er kenne jemand, der Victoria Teile abgeben will. Ich fuhr hin, ganz in der Nähe (15 km). Der Sechser im Lotto ist ja auch selten, aber der KRII Zylinderkopf, natürlich der vordere, lag bei den Teilen. Man glaubt es kaum, aber es ist wahr. Ich hatte beide Köpfe zu nachgießen bekommen und der in die Tiefe gefallene KRII Motor bekam seinen vorderen Zylinderkopf, jeder war glücklich und zufrieden.

Zylinderkopf Rohzustand – mithilfe einer Sandform gegossen

Der Nachguss der Zylinderköpfe in Bronze bzw. Rotguss mit einer Sandform erforderte keinen großen Aufwand, die nachfolgende Bearbeitung dieser erwies sich dagegen als sehr umfangreich.

Im Vergleich zum Motorgehäuse war der Arbeitsaufwand noch höher und vor allem schwieriger. Um den richtigen Auflagepunkt zu ermitteln, das die Komponenten Stehbolzen, Stößelstangen usw. ist gelinde gesagt : höchste Konzentration erforderlich. Ein weiterer schwieriger Part war die Ausarbeitung der Ansaugkanäle – bzw. Auslasskanäle. Einige Fräser waren am Ende nur noch Schrott, nicht zu reden von Staubmasken und nicht wiederbringbare menschliche Nerven. Besonders, wenn man durch geschliffen hat. Am Ende war dann doch alles wieder gut.

Die Köpfe nach der Bearbeitung

Nachdem alle Komponenten, sprich Motor, Getriebe, Kompressor (komplett überholt), Rahmen, Gabel und so weiter komplett waren, konnte das Maschinchen zusammen gebaut werden. Am erstaunlichsten war, das beim ersten Start mit einer Startmaschine das Motorrad sofort ansprang und einwandfrei lief.

Rechte Seite Rohzustand

Die ersten Töne waren natürlich dem entsprechend wie Balsam in den Ohren und entlockten den Beteiligten eine Gänsehaut mit anschließendem Beifall. Ein Drehzahlmesser, welcher damals nicht verbaut war, zeigte auf Anhieb 3500 Touren an. Der Überdruck nach dem Kompressor beträgt ca. 1 bar.

Fertig im Rohzustand

Nach der Erprobung nahm ich das Motorrad wieder komplett auseinander, um die Lackierung und Galvanik vorzunehmen. Alles kostet Zeit, aber zum Schluss ist der Zusammenbau eine wahre Freude. Der eine sieht es so und der andere sieht es anders. Ich entschloss mich die Rennmaschine im Stil der alten Zeit herzustellen, das bedeutet in Altlackierung und Alchemie zurück zu fallen, weg von den feinen Lackierungen und Glanz am Metall.

Der Erbauer mit seiner Kompressor Maschine

Zum 29. Victoria – Treffen in Rottersdorf in Bayern, stellte ich das Victoria Kompressor Motorrad Baujahr 1925 als Replika nach 10 Jahren Bauzeit offiziell vor.

Gert Reiher

August 2017

Unbedingt die neue Oldtimer Markt am 21.12.2017 holen. Hier ist der komplette Bericht und tolle Bilder des Nachbaus drin.

 

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